Die Stickerin
Margrit Schriber
bilgerverlag
2024
Margrit Schriber ist eher zufällig auf das Leben dieser bemerkenswerten Frau gestossen, 1980 lag es plötzlich ausgebreitet vor ihr, auf einem Tisch voller Gerätschaften, Porzellan, Handtaschen, Fotos, Briefbündeln und einer vernagelten Kiste Dom Pérignon. Dieser Tisch war alles, was Räss hinterlassen hatte, und Schriber, die damals als Notariatsassistentin arbeitete, sollte diese Hinterlassenschaft im Rahmen der Erbteilung Räss’ versammelter Verwandtschaft übergeben. Die Erblasserin wollte darin aber keinen Teilungsakt sehen, sondern eine «Stobete». Danach wartete im Hotel Hecht ein Gala-Diner, bezahlt von der Verstorbenen. Die ganze Sippschaft traf mit hohen Erwartungen ein – die reiche Tante aus Amerika lehrte sie jedoch das Staunen. Als Tochter eines Geissenbauern war Maria Antonia Räss chancenlos. Ihre besondere Begabung – schon als 5-jährige stickte sie ein Blattmuster von der ersten bis zur letzten Ranke durch, ohne die Stiche abzuzählen – trug schon früh zum Unterhalt ihrer Familie bei. Bald erkannte sie, dass sie im innerhodischen Appenzell nicht weit kam. Mit nichts als einer Sticknadel aus Stahl und Leinenballen im Gepäck überquerte sie den Ozean und gründete in New York ihre eigene Broderie. Schon bald stand das Kürzel MRA auf allen Stickereien am Central Park. Ihre Stickerinnen haben den Faden durchs feine Tuch gezogen, das von Berühmtheiten wie Eleonore Roosevelt, Julie Andrews, Isaac Stern und Walt Disney, mit dem sie eine lebenslange Freundschaft verband, bewundert (und getragen) wurde. Marie Antonia Räss hat das Appenzeller Kunsthandwerk in die Welt gebracht. Margrit Schriber entwirft mit diesem Roman das Lebensgemälde einer Pionierin und unerschrockenen Frau, und erzählt dabei eine Geschichte des 20. Jahrhunderts.