Schaut, wie wir tanzen
Leila Slimani
Luchterhand
2022
Nachdem sie in ihrem Roman „Das Land der Anderen“ das Leben des Ehepaars Mathilde und Amine Belhaj (sie Elsässerin, er Marokkaner) erzählte, welche in Marokko eine Farm aufbauten und durch viel Arbeit zu einem gewissen Wohlstand kamen, ist nun die Geschichte ihrer Tochter Aicha im Vordergrund. Aicha ist die erste in der Familie, die in Frankreich Medizin studiert und die nach vier Jahren Aufenthalt in Strassburg im Sommer 1968 nach Marokko zurückkehrt. In Frankreich gehen die Studenten auf die Strasse, der Ruf nach gesellschaftlichen Veränderungen wird laut, doch in Marokko scheint alles still zu stehen. Die Farm von ihrem Vater floriert zwar, ihre Familie jedoch fällt auseinander. Jeder wird zum Einzelkämpfer. Ihr Bruder verschwindet in einer Hippiekomune, ihr Onkel arbeitet beim Geheimdienst, ihre Cousine wird nach dem Tod ihres Vaters in ein Internat gesteckt und ihre Tante flieht aus der Enge der Familie in die Prostitution. In einer Bar in Casablanca lernt Aicha den brillanten Wirtschaftsstudenten Mehdi, den alle „Karl Marx“ nennen, kennen. Mit ihm wird sie ihr Leben verbringen und versuchen, den Zwängen der Gesellschaft zu entkommen, was ihr nur halbwegs gelingt, obwohl sie weiterhin als Ärztin arbeitet. Leila Slimani beschreibt das Leben der marokkanischen Oberschicht, welche wie die Kolonialisten aus Frankreich ihr Leben gestalten, beschreibt, wie sie ebenso dem Alkohol zugeneigt sind, Feste feiern, wie sie tanzen. Und die mittellosen Bauern schauen dabei zu, Zaungäste im eigenen Land. Auch wenn der Roman manchmal fast zu vielschichtig ist und man gerne mehr über die einzelnen Figuren erfahren möchte, nimmt er einen in einer unterhaltsamen Weise mit in die marokkanische Gesellschaft der 60er Jahre. Eine gelungene Fortsetzung und gespannt warten wir auf den nächsten Band der Trilogie!